Wohnungsnot: Stadt gegen Land?

Ein Beitrag von Rene Hobusch als Präsident von Haus und Grund Sachsen

Eine Wohnraumoffensive hatte sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben.

400.000 Wohnungen jährlich lautete das Ziel.

Eher zu wenig als zu viel, soll Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar bei einer Veranstaltung in Brandenburg gesagt haben. Dabei dürften angesichts der aktuellen Entwicklungen und des Stillstands beim Neubau kaum die Hälfte der Wohnungen im laufenden Jahr gebaut werden. Angesichts hoher Kosten und Standards, nicht zuletzt aber wegen der Verunsicherung durch das Heizungsgesetz dürften auch Bestandssanierungen ins Stocken geraten. Aufstockungen und Dachgeschossausbau scheitern an komplizierten Bauvorschriften. Meist wird ein zweiter Rettungsweg erforderlich. Die Kosten gehen damit durch die Decke.

Dabei ist die Nachfrage nach Wohnraum in den Städten unübersehbar vorhanden. Eine Folge von Wanderungsbewegungen, nicht nur national, sondern europäisch und weltweit. Und damit ist nicht der Zuzug durch Migrationsbewegungen gemeint. Schon lange ist ein Trend zur Reurbanisierung zu erkennen, vor allem in den westlichen Staaten. Aber auch in vielen sich entwickelnden Ländern außerhalb Europas und Nordamerikas. In den Städten gibt es Arbeitsplätze, allen Kosten zum Trotz die besseren Einkommen, Innovation trifft hier auf qualifizierte Köpfte. Nicht zuletzt, Stadtluft macht frei. Die soziale Kontrolle und das eingeschnürt sein in traditionelle gesellschaftliche Klischees entfallen.

Warum sollen in Städten wie Berlin oder München also nicht demnächst sechs oder drei Millionen Menschen leben, fragte ein Autor jüngst im Wirtschaftsteil einer Sonntagszeitung. Und dies, nachdem er zuvor sehr deutlich herausgearbeitet hatte, welche Konflikte zwischen Stadt und Land bestehen, warum es hohe Preise für Wohnungen hier und fallende Preise für Häuser dort, verbunden mit zunehmendem Frust gibt. Mir sagte dazu jüngst ein Bürgermeister einer sächsischen Kleinstadt, ihr habt den grünen Strom fürs E-Auto frei Haus und ich die protestierenden Windkraftgegner vor dem Rathaus. Eine Beobachtung, die sehr gut die Situation beschreibt, in Sachsen genauso, wie in Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Die Latte Macchiato Boheme mit dem Laptoparbeitsplatz im Freisitz vor dem Café gegen die bodenständige Landbevölkerung.

Das Bild mag provozieren. Tatsächlich ist es jedoch diese Überspitzung, mit der radikale und antidemokratische Kräfte Morgenluft wittern und die mehrheitlich demokratische Mitte wie das Kaninchen vor der Schlange auf die Wahlen in diesem Jahr schauen lässt. Dabei haben weder die selbst ernannte Alternative noch die Querfront a la Wagenknecht Antworten auf diese Fragen. Sie kanalisieren nur den Frust der häufig zu Recht Unzufriedenen.

Drauf zu setzen, dass die Städte weiterwachsen und sich die Zahlen zugunsten der Mitte demografisch weiter verschieben, ist dagegen auch keine Antwort. Denn tatsächlich stehen in den Klein- und Mittelstädten im ländlichen Raum mehr Wohnungen leer, als in den großen Städten benötigt werden. Und tatsächlich ziehen vor allem junge, kreative und lebenshungrige Menschen wieder zurück aufs Land. Vielleicht, weil das Leben in den Städten zu teuer ist, vielleicht, weil nach der Enge und den Einschränkungen während der Coronajahre hier ein Umdenken stattgefunden hat. Vielleicht ist es auch eine überzogene Romantisierung des Landlebens in Hochglanzmagazinen. Was sich jedoch schnell zeigt ist, dass auf Landlust Landfrust folgt. Internet, der Pulsgeber für modernes und zukunftsorientiertes Arbeiten fehlt. Der Arzt, der Laden fürs Alltägliche, die Schule, der Bus oder der Bahnanschluss ebenso. Wer in Leipzig lebt, ist mit dem ICE schneller in Berlin als derjenige, der nach seiner Ausbildung aufs Land zurückkehrt, im Notfall mit dem Auto beim nächsten Arzt.

Deshalb braucht es keine Wohnraumoffensive in den Städten, es braucht eine Landoffensive, die zugleich eine Infrastrukturoffensive ist. Offenheit fürs Land, flankiert mit ehrlichen politischen Entscheidungen für Investitionen in das Land. Statt Frust und Gefühle des Abgehängt seins zu stigmatisieren, Zuversicht und Hoffnung auf eine gute Zukunft geben.  Das hilft gegen Populisten, statt am Sonntagabend im Talkshowsessel nur über fehlende Wohnungen und große Ziele für die Städte zu schwadronieren und zugleich große Teile des Landes aus dem Blick zu verlieren.