Kommunale Bürgerbeteiligung

Umgang mit informellen Beteiligungsprozessen in der repräsentative Demokratie

Nicht erst angesichts der Mammutaufgabe der Umgestaltung im Rahmen der Energiewende, die nun unmittelbar vor uns liegt, sind gestraffte und schnelle Prozesse zusätzlich zu den rechtlich geforderten Beteiligungen in Anhörungsverfahren notwendig geworden. Die Frage ist nur, ob die Vorschaltung vor die Planungsprozesse diese Ziele in der Lage ist erreichen zu können, denn die formalen gesetzlich festgelegten Abläufe werden durch frühzeitige Information ja nicht abgeschafft oder gestrafft. Damit wird Politik und Verwaltung vor die Notwendigkeit gestellt, ihr Handeln so zu erläutern, dass das beabsichtigte Verfahren ohne Einwände durchlaufen kann.

Im Baugesetzbuch sind Beteiligungs- und Anhörungsrechte in Planung und Entwicklungsverfahren auch und gerade für die Kommune geregelt. Entscheidungen oder auch Unterlassen der Verantwortlichen eröffnen zurecht den Rechtsweg, da Entscheidungen im Rahmen der Gewaltenteilung überprüfbar sind und sein müssen. Die Folgen aus den gesamten planungsrechtlichen Verfahren, die die Grundlage für die komplette infrastrukturelle Umsetzung von Schiene über Straße bis hin zu Netzen und den Bau von Solarparks und Windkraftanlagen ist, ist der bekannte Jahre-oft Jahrzehnte-andauernde Umsetzungsprozess.

In den zuständigen Ämtern ist das standardisierte Regelwerk nachvollziehbaren Verwaltungshandelns das Planungsverfahren selbst in Ablauf, Anhörung und Umsetzung im Baugesetzbuch (BauGB) und den Durchführungsverordnungen. Das fällt bei Bürgerdialogen, Nachbarschaftsforen oder sonstigen Formaten gänzlich weg. Zudem besteht ohne kommunal individuelles Regelwerk die Gefahr der politischen Entgleisung durch Übernahme des politischen Prozesses zu individuell instrumentalisierten Zwecken. Damit verlagert sich der gewünschte Mehrheitsprozess in einen Minderheitenprozess, der Gewolltes leicht ausbremsen kann oder zu einer elitären verkopften Diskussion führt. Schlimmstenfalls verkommt ein solches vorgelagertes Format zu einer “getarnten” Beteiligung als Kommunikationskampagne eines Vorhabensträgers.

Coporate Governance im Sinne eines “comply or explain” hat den Ansatz zu Transparenz zu führen, in Verwaltung wie im Unternehmen ( * http://www.anette-Ehlers.de/governance-occasion-was-a-conversaion ); führt aber in den meisten Fällen zu intensiven nachgelagerten Prüfungen, verbunden jedoch mit der Chance, weniger rechtliche Auseinandersetzungen zur Folge zu haben.

Lösungsansatz: Zunächst sollte die Kommune Herr des Verfahrens sein um nicht wie in “Stuttgart 21” selbst Getriebene zu werden. Dazu sollte sie die notwendigen Schritte formulieren und mit akribischer kenntnisreicher Vorbereitung den gewünschten Weg definieren. Dies ist durch Einbindung des Stadtrates in Vorlage eines generellen Regelwerkes auf solide rechtliche Grundlage mit Satzungsbeschluß zu stellen; schließlich sind die Stadt- und Gemeinderäte die gewählten Repräsentanten der Bürger. Damit ist auch die gesetzliche Verpflichtung einer klaren Zuständigkeit im Rahmen der repräsentativen Demokratie gewährleistet. Die Aufgabe muss einen rechtlichen Rahmen erhalten, rechtlich auf solidem, aber flexiblem Boden stehen und politisch vorgedacht und vertraulich vorbesprochen sein. Der Einsatz von qualifizierten Fachleuten in juristischer praktischer Anwendung gepaart mit meditativem und kommunikativem Expertise ist -gerade in kleinen Kommunen- sicher zusätzlich vonnöten.

Bleibt die Aufgabe der Entbürokratisierung, denn durch zusätzliche Formate – zudem außerhalb der Planungsverfahren, darf kein neuer überbordender Ballast entstehen. Leipzig hat es 2004 mit seiner Olympiabewerbung “Leipzig 2012” im Verfahren innerhalb der Kommune vorgemacht was Organisationsstrukturen angeht: aus Verwaltungsangestellten und externen Fachleuten gemeinsam mit der Wirtschaft entstand ein Projetstab mit klarer Aufgabenstellung, Zuständigkeit und Aufgabe zur Erstellung des Bid Book.

Heißt für die Verwaltung Viererlei:

Bildung eines Projektteams mit einem verantwortlichen Entscheider (Projetsteuerer) unter Verpflichtung aller zu beteiligenden Ämter im Team für schnelle Entscheidungen. Die Pandemie hat gelehrt, das kontinuierliche Abarbeiten in Teams geht auch online.

Frühzeitige Einbindung von Expertise in und von außerhalb des Hauses mit Erstellung eines Regelwerkes (Standard), das dann auf den konkreten Fall individuell heruntergebrochen werden kann.

Digitalisierung (digitale Datenerfassung) und möglichst zugleich Standardisierung des Regelwerkes an sich und im transparenten Ablauf in der Automatisierung der rechtlich erforderlichen Tätigkeiten (legal tech)

Satzungsbeschluss des Stadt- oder Gemeinderates, des Kreistages zum Regelwerk

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