Vom Zertifikatehandel zum Ostdeutschen Energieform 2022 Gedankensplitter
Vor fast 20 Jahren habe ich eine Seminararbeit über das Spannungsverhältnis von Zertifikatehandel zwischen Kyoto-Protokoll und gemeinschaftlicher Konzeption eines integrativen Umweltschutzes geschrieben. Ich habe mich schwer mit dem Thema getan. Das Ergebnis soll hier auch nicht weiter diskutiert werden.
Die Frage ist vielmehr, was hat sich seither getan und wie weit sind wir auf dem Weg zu einer Energiewende angesichts der beschworenen Zeitenwende. Seit über 30 Jahren – seit 1980 in der Bundesrepublik – diskutieren wir über alternative Energielösungen, über Klimaschutz und Notwendigkeiten. Jetzt herrscht Krieg in Europa und die Ereignisse überschlagen sich – Krisen überlagern sich. Der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 scheint fatale Folgen auch im Innovationsdenken der Diversifizierung mit neuen Technologien zu haben. Erkannt und von über 70% der Bevölkerung unterstützt wird die Notwendigkeit der Beschleunigung der Erneuerbaren. Dies geht einher mit der Erkenntnis der Abhängigkeit und daraus folgend der Fehlentscheidung, Gas als Zwischenlösung einzusetzen,. Nun wird wieder auf heimische Braunkohle und Atomstrom gesetzt. Das “all in” aller Energiequellen als Zwischenlösung ist natürlich völlig in Ordnung, denn ohne Frage, angesichts der angespannten Lage auf dem Energie- und Gasmarkt braucht es schnelle Lösungen, um einen wirtschaftlichen Kollaps zu vermeiden. Aber: von einer Wirtschaft, die am Boden liegt, sind keine Innovationen, erst recht keine finanziellen Spielräume zu erwarten, um Klimaziele zu erreichen.
Und zur Wahrheit gehört auch, wir könnten viel weiter sein: Zu lange wurden der Ausbau der Erneuerbaren und der damit notwendige Netzausbau behindert, Wind und Sonne als zu teuer und nicht grundlastsicher verschrien. Die gesellschaftlichen Kosten von Kohle, Gas und Atomstrom dagegen in den Hintergrund gedrängt. Der Zertifikate Handel hat falsche Anreize gesetzt und dazu verführt, Persilscheine einzukaufen, statt durch Knappheitssignale Innovation zu entfesseln.
Wie soll im Stromsektor in weniger als zehn Jahren das Ziel von 80 Prozent erneuerbarer Anteil erreicht werden, wenn uns nur rund 40 Prozent in den vergangenen 20 Jahren gelungen sind? Welche Antworten haben wir auf den Energiehunger der Staaten und Milliarden Menschen weltweit, die nach unserem Wohlstand streben?
Das vor wenigen Tagen in Leipzig zu Ende gegangene Ostdeutsche Energieforum https://www.ostdeutsches-energieforum.de/ hat gezeigt, dass Ideen vorhanden sind, dass viele Unternehmen bereits weiter sind als unsere Diskussionen im politischen Raum. Der Osten zeigt hier gar als Avantgarde. Was jedoch fehlt, ist Sicherheit und verlässliches und selbst lernendes staatliches Regulierungsmanagement. Es fehlt der Mut, alte Zöpfe abzuschneiden und schnelle und rechtssichere Entscheidungen zu ermöglichen, aber gleichzeitig den Rechtsstaat nicht auszuhöhlen. Nicht selten ist der Rechtsstaat die Metapher für die Unlust, Überregulierungen zurückzufahren, falsche und politisch motivierte Markteingriffe zurückzunehmen, Hemmnisse abzubauen.
Verstehen wir daher die aktuelle Energiekrise auch als Chance, die Versäumnisse der letzten beiden Jahrzehnte auf dem Weg zu einer klimaneutralen und CO2-freien Zukunft abzuräumen und nicht nur in der Krise, sondern auch danach schneller Wege zu beschreiten, die wir bisher in der Behaglichkeit einer trügerischen Energiesicherheit gemieden haben.